Ode liebt Aba
„Ode rennt. Läuft um ihr Leben. Die Schreie des Mobs sind nicht mehr fern. Tränen laufen über ihre Wangen. Was ist falsch an ihrer Liebe? Wenn die Hitze sich zwischen ihren Körpern ausbreitet, dann ist es wahrhaftig. Abas Lippen auf ihren: pures Gefühl. Gemeinsam im Hinterhof sitzen, Limonade trinken und den Sonnenuntergang genießen. In all diesen Momenten findet ihre Liebe statt. Und doch …
Der Mob keucht in ihrem Nacken. Ode versteht Wortfetzen und der Hass verbrennt ihren Rücken. “Bleib stehen, Lesbe!” Ihr Herz schmerzt. Ihre Lunge pumpt. Die Liebe geheim zu halten, war ein Muss. Herausgefunden hat es trotzdem jemand. Ode biegt in eine Gasse, sie weiß nicht mehr wo sie ist. Strähnen lösen sich aus ihren Zöpfchen, verkleben an ihrer Wange. Der Staub wirbelt unter ihren Füßen auf. Dieser Teil Sowetos ist mit Armut und Vorurteilen gepflastert. Odes Sicht verschwimmt.
Aba´s Lächeln verzaubert. Ode hatte nicht sofort verstanden, dass dieses besondere Lächeln nur ihr galt. Ode hatte es erwidert, ein ums andere Mal. Sie war Abas Einladung zum Mitsingen im Kirchenchor gefolgt, und Aba ihr nach Jo’burg. Wie von allein hatten sich ihre Hände gefunden, als hätten sie schon immer zusammen gehört. Aba hatte die drei Worte in den Wind geflüstert, doch sie hatten Ode erreicht und ihr Herz zum Beben gebracht. “Ich liebe dich!”, flüsterte ihr Ode ins Ohr. Zunächst zaghaft, dann voll Vertrauen. Dieses neue Gefühl ergriff Besitz von Ode und sie wollte es nie wieder verlieren.
Gehetzt sieht sie sich um. Die Verfolger sind bis auf wenige Schritte heran. Ein Stein fliegt und trifft sie an der Schulter. Der scharfe Schmerz durchzuckt Ode. Sie gerät ins Stolpern, fängt sich und entwischt soeben ihren Peinigern. Ihre Füße fliegen über den Sand. Um Hilfe rufen, bringt nichts. Viele Menschen glauben, Homosexualität müsste geheilt werden. Selbst die südafrikanische Polizei würde sie demütigen und verhöhnen. Das Mädchen schluchzt auf. Aba ist ihr sicherer Hafen, ihre Zuflucht. Was, wenn sie ihre Freundin nie wieder sieht?
Die Verzweiflung verleiht ihr neue Kraft. Ode gewinnt an Vorsprung, sieht in der Ferne die Leuchtreklame des Supermarktes. Hoffnung keimt in ihr auf. Ein weiterer Stein fliegt über sie hinweg und prallt an einem Ölfass ab. “Ich schaffe das!”, flüstert sie. “Wir haben dich gleich!”, triumphieren ihre Verfolger. Ode will nicht ‘geheilt’ werden. Sie will lieben: und zwar Aba allein. Mit ihr tanzen, singen, lachen und streiten. Der Eingang des Supermarktes schwingt vor Ode auf und sie stürzt hinein, rast zwischen den Regalen hindurch, auf der Suche nach dem Hinterausgang. “Was soll das?”, schreit ihr die Frau hinterher, die Ode beinahe umgerannt hätte. “Tut mir leid!”, ruft das Mädchen über ihre Schulter, die Verfolger kann sie nicht mehr sehen. Ohne ihre Schritte zu verlangsamen, hetzt sie durch die Hintertür und versteckt sich in einer großen Mülltonne. Kriecht tief hinein. Dort verharrt sie, bis die Nacht sich übers Land legt.“ (Erscheint Ende 2023)
(Alle Rechte bleiben
beim Autor)
|